Kapitel 14
Sophie erwachte ein wenig benommen. Sie hatte tief und völlig erschöpft geschlafen, als sie sanft herumgeworfen wurde und gegen etwas stieß. Wogegen? Das Bett schaukelte sacht auf den rollenden Wellen. Sie vergrub die Nase in den feinen Laken, die nach Zitrone, aber noch stärker nach dem scharfen Geruch der salzhaltigen Seeluft dufteten.
Sie drehte sich um und öffnete die Augen. Hoch über ihr wölbten sich die Schnitzereien von Patricks Bett. Das Bett befand sich einer der elegantesten Schiffskajüten, die sie je gesehen hatte. Zumindest stellte sie sich das vor, da sie zuvor noch nie eine Schiffskabine betreten hatte. Patrick hatte das Bett in Indien gekauft. Von außen sah es aus wie eine Kiste mit einem gebogenen Deckel, die nach vorne hin offen war und von mit geschnitzten Blumen verzierten Holzpfeilern eingerahmt wurde. Die unzähligen geschnitzten Blumen waren rot bemalt und wanden sich die Pfeiler hinauf, um schließlich an dem geschwungenen Dach des Bettes entlangzuranken. Einen Moment lang verfolgte Sophie mit den Augen ihre verschlungenen Wege. Mein Ehebett, erinnerte sich Sophie schläfrig.
Dann vergaß sie die Blumen. Neben ihr lag ein gebräunter, muskulöser Arm. Schließlich vollzog man in einem Ehebett die Ehe, und um die Ehe zu vollziehen, benötigte man einen Ehemann ... et voilà. Sophie unterdrückte ein Kichern. Patrick lag auf dem Bauch und hatte das Gesicht von ihr abgewandt. Das einzige, was sie von ihm sehen konnte, war der seidige Schopf schwarzsilberner Locken. Er schien keinerlei Kleidung zu tragen, und Sophie stellte errötend fest, dass sie ebenfalls nackt war.
Bilder der vergangenen Nacht strömten auf sie ein und in ihrem Magen und Kniekehlen breitete sich eine seltsame Hitze aus.
Das Laken war bis zu Patricks Taille hinuntergerutscht und ließ seine breiten Schultern frei. Sophie biss sich auf die Lippen. Verschwommen erinnerte sie sich, wie sie sich an diesen Schultern festgeklammert, sich Patricks Brust entgegen gebogen und ihn atemlos keuchend angefleht hatte.
Vorsichtig setzte sie sich auf und zog ein wenig an dem Laken, so dass es ihr bis zur Taille reichte. Patrick hatte wunderschöne Schultern. Im Morgenlicht schimmerte die glatte Haut seines muskulösen Oberkörpers wie mattes Gold.
Plötzlich gab er ein leises Grunzen von sich und rollte herum. Dabei rutschte das Laken noch tiefer nach unten. Sophie rang erschrocken nach Atem und umklammerte instinktiv ihren Teil des Lakens, damit sie damit ihre Brüste bedecken konnte. Patrick schlief weiter und sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Schließlich beruhigte sich ihr hastiger Herzschlag.
Ihr Mann war wirklich ein schöner Mann. Sophie betrachtete ihn fasziniert. Tiefschwarze, gebogene Wimpern lagen auf seinen Wangen, deren Form sich im Schwung seiner Augenbrauen wiederfand. Mutig wanderten ihre Augen zu seiner Brust hinunter. Er war schließlich ihr Mann und sie hatte sich vergangene Nacht auf sehr intime Weise an diese Brust gepresst.
Die rosige Färbung ihrer Wangen vertiefte sich, als sie an Patricks raues Stöhnen dachte. Er würde sich nicht sofort anderen Frauen zuwenden. Etwas in ihr entspannte sich und in ihrem Herzen löste sich eine Knoten, den sie zuvor gar nicht wahrgenommen hatte.
Ganz vorsichtig schob Sophie einen Finger unter das Laken an Patricks Hüfte. Sie konnte die Wölbung des Körperteils unter dem Stoff ausmachen, das sie gerne bei Tageslicht, und ohne dass Patrick es bemerkte, betrachten wollte. Wie seltsam es für ihn sein musste, dass ein Teil seines Körpers ständig vor ihm herumbaumelte.
Es gelang ihr, das Laken ein paar Zentimeter nach vorne zu ziehen. Sie wollte gerade einen verstohlenen Blick darunter werfen, als die schlafende Gestalt zu lachen anfing und sich mit einer geschmeidigen Bewegung herumwarf. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, lag sie auch schon hilflos wie eine gestrandete Schildkröte auf dem Rücken. Das Körperteil, das kurz zuvor ihre Neugier erregt hatte, stupste sie sanft an. Ihre Wangen verfärbten sich, als sie in die dunklen lachenden Augen ihres Mannes blickte.
»Wie lange bist du schon wach?«
»Lange genug«, antwortete Patrick mit einem erregenden, aufreizenden Unterton in der Stimme. Er beugte sich über sie und strich mit den Lippen über ihren Mund. Sophie erzitterte vor Wonne. »Lang genug, um zu wissen, dass meine Frau wach ist. Lange genug, um zu sehen, wie du dieses verfluchte Laken an deine Brüste presst. 0 Gott, Sophie, weißt du eigentlich, dass du wundervolle Brüste hast?«
Sophie blickte an sich herunter. Da lagen sie rosig schimmernd im Morgenlicht. Sie waren recht schwer für ihren schmalen Körper. An französisch geschnittenen Kleidern sehen sie recht gut aus«, erwiderte sie unsicher. Was sollte sie sonst sagen? Sie hatte eigentlich nie einen weiteren Gedanken an ihre Brüste verschwendet.
Aber da schloss sich Patricks Mund um ihre Brustwarze und ihr Körper bäumte sich unfreiwillig dem seinen entgegen. Ein ersticktes Stöhnen entriss sich seiner Brust. Er schob ein Bein zwischen ihre Schenkel und murmelte etwas zwischen ihren Brüsten, ohne von seiner Beschäftigung abzulassen.
Erst viel später, nachdem das Laken endlich den Kampf aufgegeben hatte und zerknittert auf dem Boden lag und sich das Bett wieder sanft auf den Wellen schaukelte, fiel es Sophie ein, Patrick zu fragen, was er gesagt hatte. Sie lag auf der Seite und zeichnete mit dem Finger träge die Schweißspur auf der Brust ihres Mannes nach.
»Was hast du über meine Brüste gesagt?«, fragte sie.
Patrick betrachtete sie unter schweren Augenlidern. Er versuchte zu ergründen, warum er beim Sex mit seiner Frau stets den Tränen nahe war. Es muss etwas mit dem Ritual der Eheschließung zu tun haben, entschied er schließlich. Mit dem Wissen, dass man den Rest seines Lebens mit nur einer Frau zusammen sein wird, und mit keiner anderen mehr. Das machte guten Sex offensichtlich zu etwas Wunderbarem.
»Was hast du gesagt?«, fragte er träge und zog Sophie an sich.
Sie wiederholte ihre Frage schüchtern.
Patrick öffnete ein Auge. »Sagte ich nicht, sie seien wundervoll?«
Sie nickte. »Danach.«
Patrick öffnete beide Augen. »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er mit heiserer Stimme. »Vielleicht fällt es mir wieder ein, wenn ich sie mir noch einmal genauer ansehe.« Er schubste Sophie nach hinten und rutschte nach unten, bis er in Augenhöhe mit den besagten Körperteilen war.
Wie magisch angezogen griff er nach ihren Brüsten und umschloss mit beiden Händen ihre makellosen, üppigen Rundungen. Sophies Rücken entspannte sich, aber ansonsten verharrte sie völlig regungslos.
»Sagte ich, sie seien größer als wilde Äpfel?«
»Nein«, flüsterte Sophie.
»Sie haben natürlich nicht die gleiche Farbe wie Apfel«, sagte er im Plauderton. »Apfel sind rot, wie jedermann weiß, und deine Brüste sind weiß wie Milch, mit einem rosigen Schimmer unter der Haut.« Seine Daumen tanzten über ihre Knospen, so dass Sophie der Atem heiß in der Brust brannte.
»Sagte ich, sie schmeckten süßer als Wein?« Patricks Zunge zeichnete die Umrisse ihre Brust nach.
»Nein.«
»Sie schmecken nach Honig, wie der Nektar von Pfingstrosen oder Mohn.« Er zog immer kleinere Kreise und näherte sich mit der Zunge ihrer Brustwarze.
»Ich glaube nicht, dass du das gesagt hast«, sagte Sophie, und ihre Stimme war nur noch ein gepresstes Flüstern.
»Sagte ich, deine Haut sei weicher als ...« Patrick fiel nicht mehr ein, denn er war an der blassrosa Knospe angekommen. Mit einem stummen Stöhnen beugte er sich über sie und saugte sie in seinen Mund.
Als er den Kopf hob, schaute seine Frau ihn mit wachsender, zügelloser Erregung in den Augen an, während sich ihren Lippen ein leises Keuchen entrang.
»Nun«, sagte Patrick mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme, »Jetzt müssen wir noch die andere Seite untersuchen, meinst du nicht?«
Sophie reagierte sofort und voller Ungestüm. Sie streckte die Hände aus und zog ihn ohne auf seine lachenden Proteste zu hören an den Schultern zu sich hoch, bis er auf dem Bett kniete.
»So warte doch, mein ungestümes Weib! Mir ist gerade eingefallen, was ich gesagt habe.« In seinen Augen blitzte es, als er sie wieder zurück in die Kissen drückte. »Als ich heute Morgen aufwachte, schienst du neugierig auf meine Anatomie zu sein. Ich bot dir die Chance, deinen Wissensdurst zu befriedigen.«
Sophie errötete - senkte jedoch gehorsam die Augen und ließ den Blick von der muskulösen Brust ihres Mannes zu seinem glatten Bauch und noch tiefer wandern. Ein teuflisches Funkeln ließ ihre Augen aufleuchte, als sie mit dem Finger den Weg nachzeichnete, den ihre Augen zuvor genommen hatten.
»Hmmm«, murmelte sie heiser.
Patricks Augen wurden schmal. »>Hmmm.< Was soll das heißen?«, fragte er mit halberstickter Stimme. Seine Haut brannte an den Stellen, an denen ihre Finger ihn berührt hatten. Ganz zu schweigen von dem, was sie gerade mit einer täuschenden Unschuldsmiene tat.
Sophie atmete nur noch stoßweise und längst hatte sie den Faden der Unterhaltung verloren.
»Damit ich meine Untersuchung abschließen kann«, flüsterte sie, »muss ich noch einige Nachforschungen anstellen.« Mit den Lippen zeichnete sie die Spur ihrer Finger nach.
Patrick rang nach Luft und stieß dann ein Stöhnen aus. Sein Herz pochte ungestüm in seiner Brust.
»Keine Nachforschungen.« Patrick klang wie ein Fremder. Seine muskulösen Arme versteiften sich, während er Sophie fordernd zu derselben Leidenschaft trieb, die ihn erfasst hatte.
»Wir reden später darüber«, brachte sie noch hervor und dann war die Zeit des Redens vorüber.
Als Patrick und Sophie Foakes schließlich auf Deck der Lark erschienen, stand die Sonne bereits hoch am Himmel.
Sophie blinzelte im kühlen, grellen Licht. So weit das Auge reichte gab es nichts außer schaumbedeckten Wellen und kreisenden Möwen.
»Wie weit sind wir auf das offene Meer hinausgesegelt?«
»Nicht sehr weit«, antwortete Patrick. »Solange die Möwen über uns sind, befinden wir uns nicht sehr weit draußen. Wir werden uns während der gesamten Reise in der Nähe der Küste halten. Wir wollen um die Spitze Cornwalls herumsegeln und dann in Wales vor Anker gehen, wo immer es uns gefällt.«
Patrick spielte mit dem Gedanken, Sophie von den Befestigungsanlagen zu erzählen, die er inspizieren musste, verwarf ihn jedoch wieder. Davon konnte er ihr später erzählen. Schließlich war es kein sehr romantisches Thema.
»Es ist eine Schande, dass wir nicht nach Italien reisen können, so wie es meine Eltern auf ihrer Hochzeitsreise getan haben«, sagte er träge. Dann begannen seine Augen zu leuchten. »Wenn du nicht an Bord wärst, würde ich es wagen. Den Kanal überqueren, mich an Frankreich vorbeischleichen und in Leghorn anlegen.«
»Leghorn?«, fragte Sophie fasziniert. »Du meinst Livorno?«
»Genau.« Patrick lehnte sich rückwärts gegen die Reling und grinste sie an, während er über die Schulter den Seemöwen Orangenschalen zuwarf. »Hattest du in der Schule Geographie-Unterricht?«
»Oh nein«, sagte Sophie. »Ich habe die Cheltham Ladys' School besucht, und höhere Töchter haben keine Verwendung für Geographie, da sie die Grenzen Englands nie verlassen.«
»Woher kennst du dann den italienischen Namen für Leghorn?« Patricks Augen wanderten automatisch über das Deck und überprüften die Takelage des Gaffelsegels, das viereckige Segel am Fockmast und die geschickten, präzisen Handgriffe seiner Besatzung.
Sophie blickte ihn an und sagte: »Oh, das gehört zu dem Wissen, das man sich so aneignet.«
Aber Patrick wirkte nur abgelenkt. »Sprichst du Italienisch?«
Sophie erstarrte innerlich. »Nein«, platzte es aus ihr heraus. »Ich beherrsche nicht viel ...« Was für eine Idiotin sie doch war! Hatte sie gerade etwa gesagt, dass sie nicht viele Sprachen beherrschte? Oder dass sie nicht viel Italienisch beherrschte? Und was war mit der türkischen Grammatik, die in diesem Moment zwischen ihrer Unterwäsche lag? Vielleicht sollte sie sie über Bord werfen, wenn Patrick nicht hinsah.
»Niemand erwartet von Damen, dass sie Sprachen sprechen«, sagte Patrick tröstend. »Ich schwöre, dass die meisten Damen, denen ich bei Almack's begegnet bin, nicht einmal ihre eigene Sprache beherrschen. Du musst jedoch fließend Französisch sprechen, da es das Heimatland deiner Mutter ist.«
Sophie nickte nur, aus Angst, den Mund aufzumachen.
»Ich stelle mich bei Sprachen furchtbar dumm an.« Patrick steckte ihr ein süßes Stück Orange in den Mund. »Französisch spreche ich nur sehr schlecht, und in anderen Sprachen beherrsche ich nur ein paar Sätze. Weißt du, was die wichtigste Wendung in jeder Sprache ist?«
Sophie schüttelte den Kopf und konnte sich bei seinen Worten einer gewissen Faszination nicht erwehren.
»Rate mal.«
Sie überlegte einen Moment lang. Ihre Kenntnisse in Fremdsprachen waren so theoretisch, dass sie sich nur schwer eine Situation in einem fremden Land vorstellen konnte. »>Wo finde ich einen Konstabler?<«
Patrick verdrehte die Augen. »Glaub mir, Konstabler bedeuten mehr Ärger als dass sie nützen.«
»>Führen Sie mich bitte zu einem Gasthof<«
»Nein.« Patrick trat näher an sie heran und schob den Rand ihrer Haube nach oben. Dann riss er ein Stück Orange ab und hielt es ihr vor das Gesicht. »>Bitte nehmen Sie diese bescheidene Gabe als Geschenk meines Landes und meiner Person, verehrte Dame.<«
Sophie lachte, als er mit der tropfenden Fruchtscheibe sinnlich über ihre Lippen rieb, bis sie sie öffnete.
»Ich beherrsche diesen Satz in vierzehn Sprachen«, sagte er, und in seinen Augen blitzte es belustigt. »Unglücklicherweise ist das auch der einzige Satz, den ich auf Walisisch beherrsche, also können wir uns nur mit unserem Englisch in das Land hineinwagen.«
Sophie schluckte. Es war zu spät, zuzugeben, dass sie fließend Walisisch sprach.
Aber Patrick deutete ihren erschrockenen Gesichtsausdruck falsch. »Ist schon gut, Liebling. Das ganze Land spricht Englisch. Und wenn nicht, dann sollten sie es schnell lernen. Und sie sollten bei der Gelegenheit ihr Französisch aufpolieren«, fügte Patrick hinzu. »Manche glauben, dass Napoleon eine Flotte von Brest losschicken will, damit sie um Cornwall herumsegelt, in Wales landet und England von hinten angreift.«
»Ach, Bonaparte.« Sophie hatte Schwierigkeiten, sich auf außenpolitische Belange zu konzentrieren, da Patrick erneut eine Stück von der Orange durchgeschnitten hatte und es ihr verführerisch an die Lippen hielt. Der durchdringende Geruch kitzelte sie in der Nase.
»Mach dir keine Sorgen deswegen. Die Lark ist eins der schnellsten Schiffe auf dem Meer. Wir können jeder Flotte davonsegeln, die Napoleon im Kanal herumschippern lässt. Außerdem hat er nur flache Schiffe.«
»Ist die Lark ein Baltimore Klipper?«
Patrick warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Ja. Sie hat einen V-förmigen Bug, damit sie die Wellen besser durchschneiden kann.«
Sophie zog eine Grimasse und eine leichte Verärgerung verdrängte die sinnliche Benommenheit, die er mit der Orange hervorgerufen hatte. »Glaubst du, ich kann nicht lesen?«, fragte sie mit trügerischer Sanftheit. »Die Times berichtet seit mehr als fünf Jahren über die Werften in Fells Points!«
Patrick aß gedankenverloren die Orangenscheibe, die er eigentlich für sie zurechtgeschnitten hatte. »Ich weiß nicht viel über richtige englische Damen. Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war, und seitdem -« Er zuckte die Achseln. »Ich habe nicht viel Zeit in England verbracht.«
»Ich weiß«, unterbrach Sophie ihn, »und seitdem du wieder hier bist, hast du nicht viel Zeit mit Damen verbracht!«
Patrick lachte. »Es waren durchaus Damen«, zog er sie auf, »aber es waren nur nicht die richtige Sorte >Damen<.«
Er grinste. Er mochte seine gewitzte Braut mit ihrer scharfen Zunge und ihren verlangenden Augen. Patrick drängte Sophie sanft gegen die Reling, bis sich sein Körper wie ein fehlendes Puzzleteil an den ihren schmiegte.
Sophie blickte zu ihm auf und in ihren Augen lag eine sehnsuchtsvolle Wehmut. »Warst du denn schon in vierzehn Ländern?«
»Mindestens«, erwiderte Patrick.
»Oh, wie gerne würde ich reisen«, sagte Sophie sehnsüchtig. »Ich würde in den Orient fahren.«
»Was tun richtige Damen eigentlich den ganzen Tag?«
Sophies Laune verdüsterte sich wieder. »Sie ... sie machen Besuche und hinterlassen ihre Visitenkarten.«
»Das kling erstaunlich langweilig. Was sonst noch?«
»Sie gehen einkaufen.«
»Warum?«
Sophie rang überrascht nach Atem. Patrick bewegte ganz sanft seine Hüften gegen ihre.
»Patrick! Was, wenn dich jemand sieht?«
»Es gibt nichts zu sehen«, erwiderte ihr Mann ungerührt. Er hatte die Hände zu beiden Seiten ihres Körpers auf der Reling abgestützt. »Was kaufen richtige Damen denn in den Geschäften?«
»Oh, Hüte und Kleider«, sagte Sophie unbestimmt. Sie war in dieser Unterhaltung wirklich im Hintertreffen, denn gewöhnlich bestellte sie Madame Carême zu sich nach Hause. Es war auch so schon schwierig genug, Zeit für ihre Arbeit züi finden.
Patrick hatte es aufgegeben, sie zu necken, und blickte mit einem gewissen Maß an Erstaunen auf sie hinunter. »Willst du behaupten, du gehst jeden Tag einkaufen?«
»Ich nicht«, erwiderte Sophie vorsichtig. Dann fiel ihr ein, dass Patrick ja ein Lebemann war. Wie sehr er auch vorgab, in diesen Dingen ahnungslos zu sein, so wusste er doch alles über Damen und ihre Beschäftigungen – schließlich verbrachte er seine Zeit damit, ihnen nachzujagen.
»Nun, was gibt es sonst noch zu tun?« Ihre Augen blitzen ihn herausfordernd an. »Wie du sehr wohl weißt, wendet eine Dame die meiste Energie für die Anschaffung einer neuen Garderobe auf.«
»Ach, tatsächlich?«, fragte Patrick gedehnt. Er schob seine Hüften nach vorne und in Sophies Leib breitete sich eine süße Hitze aus.
Arbeit! Plötzlich wurde ihr schmerzlich bewusst, was sie für diese Heirat aufgegeben hatte. Tief in ihrem Inneren konnte sie sich nicht mit der Vorstellung abfinden, eine dieser Matronen zu werden, die unter Arbeit nur einen Besuch auf der Bond Street verstanden. Nicht, dass man sein Äußeres vernachlässigen durfte, aber es war solch ein aufregendes Gefühl, Teile einer Sprache zusammenzutragen, bis sich vor dem Auge ganze Sätze formten.
Patrick beobachtete sie ein wenig verwirrt. Warum wirkten Sophies Augen so traurig, während sie den Tagesablauf einer Dame beschrieb?
»Würde meine Frau sich gerne nach unten zurückziehen und ein Bad nehmen?« Sanft küsste er sie auf die Stirn. »Denn ihr Gatte muss sich nun mit dem Kapitän unterhalten.«
Sophies Augen begannen zu leuchten. »Das wäre wunderbar«, sagte sie aufrichtig.
Ein wenig unwillig löste sich Patrick von Sophie. »Dann los.«
Sobald Sophie die Hauptkabine betreten hatte, schickte sie die ein wenig grün im Gesicht aussehende Simone los, heißes Wasser zu holen. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die geschlossene schwere Eichentür.
Der Raum war spärlich, aber luxuriös eingerichtet. jedes Möbelstück war entweder an der Wand oder am Boden fest geschraubt, abgesehen von den Stühlen am Esstisch, die man über ein Geländer an der Wand hängen konnte, wenn die See stürmisch wurde.
Sie war alleine. Sie war seit ihrem Hochzeitsmorgen nicht mehr alleine gewesen und mit einem Seufzen nahm Sophie genießerisch die Stille in sich auf
Dann trat sie schnell von der Tür weg, als Simone eintrat und zwei jungen Besatzungsmitgliedern Anweisungen gab, wie sie mit den großen Eimern mit heißem Wasser verfahren sollten, die sie hereinschleppten. Schnell wurde die kupferne Wanne, die in einer Ecke der Kabine an den Boden geschraubt war, mit Wasser gefüllt und mit Kirschblüten aromatisiert. Dann schickte Sophie ihre Zofe zurück in ihre Kabine, wo diese sich ins Bett legte und sich leise wimmernd den Magen hielt.
Sophie lehnte sich zurück, während das Wasser sanft die wunden Stellen ihres Körpers umspülte. Sie blieb eine lange Zeit so liegen und dachte über den vergangenen Abend nach. Bis jetzt hatte sie dazu noch gar keine Zeit gehabt ... und dabei es gab so viel zu überdenken.
Was zum Teufel sollte sie zum Beispiel mit Braddon anstellen? Sein Plan war unmöglich. Es war nicht nur unmöglich, es war schlichtweg unvorstellbar, dass die Tochter eines Pferdehändlers der feinen Gesellschaft vormachen konnte, dass sie ein Mitglied des französischen Adels war.
Sophie hatte ihre Mutter in Aktion gesehen, wie sie das vornehme Benehmen einer Kaufmannstochter in der Luft zerriss. Eine junge Dame mochte fügsam und schön sein und die gleiche Schule wie Sophie besucht haben, aber letztendlich spielte das keine Rolle. Eloise und ihre Freundinnen waren die strengsten Richterinnen auf der Welt. Sie würden die Art zerpflücken, wie das Mädchen Konversation betrieb, wie es seinen Fächer hielt, wie es die Augen aufschlug ... und bald feststellen, dass falsches Blut durch seine Adern floss.
Es ist absolut unmöglich, dachte Sophie bedrückt. Sie musste Braddon einfach davon überzeugen, diese Idee aufzugeben. Eloise würde eine Schwindlerin schon nach einer Sekunde durchschauen. Ganz zu schweigen von einer Schwindlerin, die in Wahrheit die Tochter eines Pferdehändlers war. Nein, Braddon musste die Hoffnung aufgeben, seine Madeleine je heiraten zu können.
Schließlich kehrte Sophie in die Gegenwart zurück und bemerkte, dass ihr Badewasser kalt geworden war. Sie stand auf und wickelte sich in ein Handtuch. Ohne lange darüber nachzudenken, holte sie ihre türkische Grammatik hervor, die sie sorgfältig versteckt hatte.
Mit einem glücklichen Seufzen vertiefte sie sich in die türkischen Verben. Sie waren erstaunlich interessant, denn sie veränderten sich, je nachdem, wer sprach. »Seni seviyorum«, flüsterte sie. Ach liebe dich. Seni seviyor. Er liebt dich.« Sophie schüttelte den Kopf und vertrieb diesen Gedanken. Dann wandte sie sich prosaischen Sätzen zu.
Wissentlich missachtete sie den Rat ihrer Mutter - und es war ein wunderbares Gefühl. Kein Wunder, dass Braddon glaubt, ich könnte Madeleine beibringen, wie sich eine echte Aristokratin benimmt, dachte Sophie schläfrig. Sie war bei der Königin der tonangebenden Aristokratinnen in die Schule gegangen, und zwar bei der Marquise von Brandenburg. Was Eloise nicht über korrektes Verhalten wusste, war es nicht wert, beachtet zu werden.
Schuldbewusst schob Sophie hastig die Grammatik beiseite für den Fall, dass Patrick plötzlich die Kabine betrat. Verlass dich darauf, hörte sie die strenge Stimme ihrer Mutter, dass kein umsichtiger Mann eine Frau akzeptiert, die mehr weiß, als er selber.
Sophie seufzte und dachte an Patricks Geständnis hinsichtlich seiner schlechten Französischkenntnisse. Ihre Mutter hatte ohne Zweifel Recht.
Arme Eloise! Sie hatte jahrelang versucht, Sophie ihre Leidenschaft für Sprachen auszureden. Das Lateinische hatte sie am härtesten bekämpft. »Latein ist so unweiblich wie ein Bart im Gesicht einer Frau«, hatte sie mit vor Zorn weißen Lippen protestiert.
Aber George hatten sich gegen seine Frau durchgesetzt, und so verbrachte Sophie ihre Vormittage mit dem Konjugieren von Verben.
Sophies Grinsen verschwand, als ihr bewusst wurde, worauf die meisten Ermahnungen ihrer Mutter eigentlich abzielten. Eloises Lieblingsspruch lautete: »Junge Frauen müssen nur lernen, wie man sich einen Mann sucht.« Braddons Madeleine würde in der Tat tüchtig lernen müssen, wenn sie hoffte, diesen Plan umzusetzen. Sophie schob die Zwangslage von Braddon und seiner Pferdehändler-Tochter beiseite und nahm sich wieder ihre Grammatik vor. Mit ein bisschen Glück würde sie die komplizierten Vergangenheitsformen beherrschen, bevor Patrick zurückkehrte. Als Patrick die Kabine betrat, fürchtete er, eine gereizte Ehefrau vorzufinden, die ungeduldig auf ihn wartete. All seine Erfahrungen mit Frauen hatten ihn zu der Überzeugung geführt, dass man eine frisch gebackene Ehefrau niemals alleine ließ, vor allem dann nicht, wenn man sie rüde an ihrer Lieblingsbeschäftigung hinderte und sie nicht mehr mit den Damen Tee trinken und einkaufen konnte. Er hatte drei Stunden mit dem Kapitän über die Meeresströmung vor Cornwall und das Fehlen eines zweiten Maats gesprochen.
Er verspürte ein leicht schlechtes Gewissen wegen seiner unfreundlichen Gedanken, als er die Kabine betrat und Sophie in ein Negligee gehüllt friedlich in einem Sessel saß. Sein Schuldgefühl wurde schnell durch ein anderes Gefühl vertrieben. Gott, er hatte wirklich eine schöne Frau geheiratet! Sophies honigfarbenes, immer noch feuchtes Haar fiel ihr in schimmernden Locken über die Schultern und den Rücken hinunter. Ihre Augen wirkten im Schein der Kerzen wie dunkler Purpur.
»Wo ist deine Zofe?«, fragte Patrick, und sogar ihm selber fiel auf, wie schroff seine Stimme klang.
Sophie blickte ihn überrascht an. »Simone leidet ein wenig an der Seekrankheit. Ich habe sie für heute in ihre Kabine geschickt.«
Patrick schluckte. Sophie musste wund sein; jedenfalls viel zu wund, um erneut die Aktivitäten vom Morgen aufzunehmen. Er schlenderte zu ihr hinüber und ging neben ihrem Sessel in die Hocke.
Sophie lächelte. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl erfüllte sie. Ihre Ehe gestaltete sich wunderbar und sie hatte die türkische Vergangenheitsform gemeistert. In ihrem Gedächtnis war der unausgesprochene Satz: »Seni sevdi: Ich liebte ihn« verankert.
Mit Absicht lehnte sie sich nach vorne, so dass das durchsichtige Seidengewand am Hals auseinanderklaffte. »Wusstest du, dass es keine englische Entsprechung für das Wort deshabillé gibt, Patrick?«
Patricks Augen verdunkelten sich. »Mein Französisch wird von Minute zu Minute schlechter.« Sein warmer Atem strich über ihren Hals, als er das Negligee mit seinen Lippen auseinanderschob. »Was bedeutet deshabillé?«
Sophie stöhnte auf. »Unbekleidet oder nicht vollständig bekleidet, aber es kann auch negligee bedeuten.«
Patricks Lippen wanderten weiter nach unten.
»Oh, wehe mir ...«, sagte er mit halb erstickter Stimme. »Meine schlaue Gemahlin hat mir wieder ein Fremdwort an den Kopf geworfen. Was ist ein negligee?«
Sophie kicherte und ihre Hände glitten über Patricks muskulöse Schultern. »Als hättest du in deinem Leben nicht schon Tausende davon gekauft!«, sagte sie kess.
Angesichts dieser Bemerkung verharrten Patricks Lippen und er hob den Kopf, um ihr in die Augen zu blicken. »Warum insistiert meine eigene Ehefrau darauf, dass ich ein alter roué, ein libertin bin?«
»Deine Aussprache ist perfekt! Du hast mich angeschwindelt!«, rief Sophie empört.
»Je ne suis pas un libertin, et je n'acheterai plus de negligee pour une femme qui n'est pas ma propre femme. Übersetz dies, meine schlaue Frau.«
Sophie schmollte. »Du behauptest, kein Lebemann zu sein, und versprichst mir, dass du niemals wieder ein Negligee kaufen wirst, es sei denn für deine Frau.«
Patrick wollte gerade diesen Punkt bekräftigen, als sein Blick auf ihre Lippen fiel. »Meine bezaubernde Sophie«, flüsterte er rau. »Ma belle, ma mariée.«
Sophie schloss die Augen. Es war unglaublich erotisch, Patrick Französisch sprechen zu hören, Sie war mit der französischen Sprache aufgewachsen und hatte das Englische erst mit sechs Jahren erlernt. In vielerlei Hinsicht war es die Sprache, die ihr am nächsten am Herzen lag. Aber sie hätte nie gedacht, dass sie in der Lage sein würde, sich in dieser Sprache zu lieben.
Plötzlich pochte ihr das Herz ungestüm in der Brust. Sie öffnete die Augen, beugte sich nach vorne und biss ihrem Mann spielerisch in die Lippe. Er reagierte darauf mit einem Knurren, umfing ihre Lippen und zog sie nach vorne, so dass sie auf seinen Schoß fiel.
»Embrasse-moi, mon mari««, hauchte Sophie.
»Dein Wunsch ist mir Befehl, ma belle.« Mit einer geschmeidigen Bewegung stand Patrick auf und trug seine Frau zum Bett. Sie ließen sich unter den Blumenranken und den kirschroten Blüten auf die Matratze sinken, als wäre das Bett ein blühendes Gehölz im tiefsten Indien.
Unter Deck klingelte niemand, damit das Abendessen in der Hauptkabine serviert würde. In der Kombüse der Lark wurde Patricks französischer Koch, den er mit einer hohen Bestechungssumme dazu überredet hatte, ihn auf der Reise zu begleiten, zuerst wütend und dann hysterisch.
»Mein wunderbares Dinner ist völlig ruiniert.« Floret blickte sich mit einem verzweifelten Blick um. Die Suppe befand sich immer noch in der silbernen Terrine. Den Braten konnte man noch essen, aber sein Meisterstück, die Forelle, war nicht mehr zu retten.
Patricks stämmiger erster Maat, John, schüttelte den Kopf. »Ist zwar ein bisschen ausgefallen, aber man kann es essen«, sagte er, den Mund voller Forelle au court bouillon.
Angesichts dieser Worte brach Floret, sehr zu Johns Abscheu, in Tränen aus.
Sophies Zofe blieb dankbar im Bett und durchlitt völlig benommen eine Übelkeitswelle nach der anderen. Für Simone war die Tatsache, dass ihre Herrin keine Hilfe beim Entkleiden benötigte, ein Geschenk des Himmels. Schließlich nahm Simone eine Dosis Laudanum und wurde noch benommener.
»Sie wird schlafen, wie Gott sie geschaffen hat«, murmelte Simone mit einem Kichern. »Seine Lordschaft macht mir diesen Eindruck.«
Erst als auf der Lark alles dunkel und still war und nur der erste Maat wach am Steuer stand, schlüpften Patrick und Sophie aus der Kabine und schlichen in die Kombüse.
In einer Terrine fanden sie die Spargelsuppe; noch besser war jedoch die Flasche Champagner, die in einem See aus geschmolzenen Eis vor sich hin dümpelte. Die Brötchen waren inzwischen hart geworden, aber das störte sie nicht. Sie saßen nebeneinander auf dem Küchentisch (es war ihnen zu umständlich, die Stühle von ihrem nächtlichen Platz an der Wand zu holen), tranken die Suppe und tunkten die harten Brötchen in den Champagner.
Sie saßen so eng beieinander, dass ihre Beine sich berührten und Sophies Haar, das ihr in wilden Locken den Rücken herabhing, Patricks Schulter liebkoste.
Es war ein Mahl für die Götter.